Der Fotoband «Wounded. The Legacy of War» zeigt beeindruckende Porträts junger britischer Soldaten und Soldatinnen, die versehrt aus dem Irak oder Afghanistan zurückkamen oder bei Übungen verwundet wurden. «Es sind atemberaubende Fotografien von Menschen, die ohne zu zögern in den Krieg gingen und nun ihre Geschichte erzählen.», heisst es im Verlagstext. In den Interviews zu den Bildern wird das jeweils einzelne Schicksal beleuchtet.
ROCKSTAR FOTOGRAFIERT
Der Rockstar und Fotograf Bryan Adams hat diese Aufnahmen gemacht, die als Buch letztes Jahr im November beim Steidl Verlag erschienen sind. Adams hat durch seine Fotos – nicht nur von Musikgrössen – mittlerweile auch als Fotograf ein hohes Ansehen in der internationalen Kunstszene. Rockstar fotografiert Kriegsversehrte, das hat schon eine gewisse Spannung, Doch die Bilder selber, die Inszenierung der versehrten Menschen in ihren Uniformen, all das birgt eine noch viel grössere Spannung, die zu vielfältigen Fragen führt.
FOTOGRAF ZIELT AUF DEN BETRACHTER
Adams richtet sein Objektiv auf die Narben, Verletzungen und Verstümmelungen. Aufgrund dieser bedrückenden Unmittelbarkeit sind die Porträts eine Herausforderung für den Betrachter. Ich überlasse jedem die Entscheidung, die Fotogalerie (unten) anzuklicken und möchte hier niemanden ungefragt mit den Bildern konfrontieren. Denn – der Fotograf zielt nicht nur auf seine Modelle, er zielt auf den Betrachter. Und er trifft.
Ich habe mich angesichts der Aufnahmen betroffen, auch getroffen, gefühlt. Im Text zu den Fotografien heisst es: « ... gleichzeitig aber offenbaren sie die beeindruckende Charakterstärke und Tapferkeit, mit der die Opfer trotz ihrer Beeinträchtigung jeden Tag in Würde weiterleben.»
FRAGEN BEIM BETRACHTEN
- Wie kann, das, was wir als verwundet, nicht mehr heil, in mancher Augen und Meinung, als zerstört und hässlich, sehen, durch Fotografie schön, irgendwie ästhetisch, besonders oder sogar geheil(ig)t erscheinen?
- Wer hat diese Menschen in die Uniformen gesteckt? Oder war es ihr eigener Wunsch, diese zu tragen?
- Sind Sie stolz? Auf ihr Land, ihre Uniform – darauf, in den Krieg (ein)gezogen (worden) zu sein?
- Wann bin ich ein Held? Wann bin ich ein Opfer? Kann ich beides gleichzeitig sein?
- Wer würdigt mich? Und wie definiere ich (meine) Würde?
- Was ist Mut?
- Was hat mehr Mut gebraucht, in den Krieg zu ziehen, oder für diese Fotoaufnahmen Model zu stehen?
HELDENTUM
Ich möchte meine Gedanken zu diesen besonderen, berührenden Bildern mit ein paar Sätzen von Arno Gruen abschliessen:
« ... Ein Bewusstsein, das auf Abstraktionen basiert und das Empathische verdrängt, entfernt
den Menschen von der Realität. Es führt zu den uns zerstörenden gewalttätigen und gewaltigen
Kriegen, welche die Geschichte der Zivilisationen charakterisieren. Es resultiert in einer grundsätzlichen
Unverantwortlichkeit den Menschen gegenüber, die aber vollkommen verdeckt ist durch ein
Heldentum, das die ihm unterliegende Hilflosigkeit verneint. ... »
Sie können die Fotogalerie aus dem Fotoband «Wounded. The Legacy of War» auf ZEITonline sehen. | Eine mögliche Antwort auf die oben zuerst gestellte Frage lesen Sie ebenfalls im oralab-Blog.
Arno Gruen
Ich habe den deutsch-schweizerischen Schriftsteller, Psychologen und Psychoanalytiker, aus seinem Vortrag: «Das entfremdete Leben – Schnittstelle zwischen Mitgefühl und abstraktem Denken» zitiert, den Arno Gruen 2013 in der Pfarrei Zürich-Liebfrauen gehalten hat | Dem Leben entfremdet: Warum wir wieder lernen müssen zu empfinden, Klett-Cotta 2013
Bryan Adams
ist seit dem Live Aid-Konzert 1985 bekannt für sein soziales Engagement. Er hat eine eigene Stiftung gegründet, die „Bryan Adams Foundation“, die sich um hilfsbedürftige Menschen auf der ganzen Welt kümmert. Nach dem Erdbeben und Tsunami in Japan im März 2011 rief er die Musiker und Sänger der Welt auf, gemeinsam ein Benefiz-Konzert für Japan zu spielen. | mehr zu Bryan Adams als Fotograf | der Musiker Bryan Adams spielt am 12.12.2014 im Hallenstadion Zürich