Hatten Sie schöne Ostertage?
Lange Zeit war mir Ostern «nur» als Brauchtum recht und lieb. Am meisten freute ich mich auf eine oder mehrere, süsse Osterüberraschungen. Ich liebe Überraschungen. Gerne hätte ich erst danach gesucht, denn ich liebe auch das Spielen. Doch die Menschen, die mich überraschen wollten, fanden am Verstecken meist keinen Gefallen.
Haben Sie gesucht?
Nebst den obligatorischen Eiern und dem Schokoladehasen machte ich auch kleine Geschenke an Ostern, und wenn die oder der Beschenkte Sinn dafür hatten, dann versteckte ich diese natürlich. Leider wollen viele von uns nur finden, und nicht erst mühsam suchen oder verstecken.
Mühsam, kindisch? Oder, freudvoll, lustig, spannend? Doch vielleicht geht es, neben dem Suchen und Finden, auch darum, was wir suchen und wie wir es finden; und das nicht nur an Ostern. Dazu habe ich mir ein paar Gedanken gemacht.
Was haben Sie gesucht?
Ostern ist im Laufe meiner (Er)Lebenszeit, wie die meisten religiösen Feste, von der Werbe- und Konsumwelt vereinnahmt worden. Hatte ich das «Weihnachten, der Geschenke», bereits mit 20 Jahren verabschiedet, hielt sich meine Art Ostern zu feiern recht lange. Vielleicht, um am allgemeinen Schenken und Beschenkt werden teilzunehmen, zumindest im kleinen Rahmen. Beruflich hatte ich, in eben dieser Werbe- und Konsumwelt noch eine Karriere vor mir. Weitere 20 Jahre sollten vergehen, bis ich eine Alternative dazu für möglich hielt und daraus meine Konsequenzen zog.
Da ich nicht christlich erzogen worden bin, blieb in all dieser Zeit das eigentliche Osterfest für mich ohne tieferen Sinn, obwohl ich theoretisch, intellektuell um seine Bedeutung wusste. Es gab Zeiten, da war einzig wichtig, dass der Karfreitag schnell endete, weil ich in Vorfreude auf die kommende Tanznacht, um 23.40 Uhr in einer Diskothek in den Startlöchern stand. Diese Erfahrung möchte ich aber nicht missen, denn wie Augustinus es schon richtig sagte:
O Mensch lerne tanzen,
sonst wissen die Engel
im Himmel mit dir
nichts anzufangen!
Ostern war Freude, Frühling – Weihnachten hingegen Stille. Im Laufe der Jahre haben die Weihnachtstage, sehr oft und gerne alleine verbracht, eine intensive Bedeutung für mich bekommen. Die besondere Qualität der Adventszeit durfte ich in den letzten Jahren immer mehr spüren und erfahren. Und dieses Jahr nun Ostern, das erste Mal jenseits des fröhlichen Festes, nicht nur Brauchtum, sondern eine Erfahrung. Das kalte, regnerische Wetter habe ich dabei dankbar, als Unterstütztung wahr genommen.
Was haben Sie an diesem Osterfest gefunden?
Diese Ostern haben für mich einen langen Vorlauf gehabt. Im Februar hatte ich ein einschneidendes Erlebnis, dem ein paar Tage mit freier Zeit, Ruhe und Fasten folgten. Jedoch wäre Ich nie auf die Idee gekommen, einen Bezug von meinem persönlichen Erleben zu Ostern herzustellen. Rund um die Ostertage gab es dann viele «Meldungen» aus dem privaten und weiteren Umfeld, die so deutlich Ähnlichkeit mit dem Geschehen der christlichen Ostergeschichte haben, dass ich hellhörig wurde. Einige Stichworte dazu wären: Leiden, Loslassen, Verrat, Sterben, Hindurchgehen, Neubeginn, Durchbruch ...
Wie haben Sie es gefunden?
Hinzu kam, dass ich mir als Lektüre für die Tage das Buch von Hans Gehrhard Behringer: «Die Heilkraft der Feste – Der Jahreskreis als Lebenshilfe» ausgesucht hatte. Genauer, die Seiten, auf denen der Autor ausführlich und facettenreich auf das Geschehen der Ostergeschichte und ihre Deutungsmöglichkeiten eingeht. Dabei schlägt er einen sehr weiten Kreis in der Betrachtung, zum Beispiel der Rolle, die Jesus, archetypisch gesehen, in diesem Geschehen hat.
Hans Behringer arbeitet in seinem 1997 erschienen Buch auf ein paar Seiten heraus, dass es sich hier eigentlich um die Stationen einer Einweihung handelt, wie wir sie auch in anderen Kulturen und ihren Mythen oder spirituellen und religiösen Texten finden. Beim Lesen seines Textes und durch einige seiner Meditationsübungen konnte ich erstmals das Geschehen der biblischen Ostergeschichte ganz durchdringen. Dabei ist nicht von Bedeutung, ob wir diese auch als historische Geschichte lesen.
Ein weiteres Buch, dass ich bereits vor zwei Jahren gelesen hatte, war erneut präsent, zudem mein Mann es seit kurzem ein zweites Mal liest. Es handelt sich um «Die neun Gesichter Christi. Die Suche des Wahren Eingeweihten.». Hier ist in der Form einer Erzählung, das ganze Wissen um die verschiedenen Traditionen und Initiationswege – durch verschiedene Zeiten und Kulturen hindurch – zusammen gebracht worden.
Am Beispiel des Joseph-bar-Joseph, der 57 Jahre vor der überlieferten Geburt Christi gekreuzigt worden sein soll, wird im Buch erzählt, wie Jeshuau, wie er auch genannt wurde, seinen Einweihungsweg findet und geht. Dem Autor Eugene E. Whitworth, dessen Buch bereits 1972 erschien, lag daran, die Universalität des religiösen Gedankens zu verbreiten, um daran mitzuwirken, den Weltfrieden herbeizuführen.
An dieser Stelle erwähne ich noch ein drittes Buch, das mich seit der Vorweihnachtszeit begleitet. Nach diesen Ostertagen scheint die Zeit reif, die letzten Seiten zu lesen. Ein weiterer Kreis darf sich schliessen. Geschrieben wurde «Auf der Suche nach Merlin – Mythos und geschichtliche Wahrheit» im Jahr 1987 von Nikolai Tolstoy, einem russisch-englischen Historiker, der nur entfernt mit dem Autor Leo Tolstoi verwandt ist.
Merlin ist genau wie Jesus eine der grossen Propheten- und Heilerfiguren in der Geschichtsschreibung und den Mythen. Und so verwundert es nicht, dass viele Paralellen auf dem Weg dieser beiden auftauchen, und sich auch in der Darstellung, sei es literarischer, künstlerischer oder symbolischer Art wiederfinden. Es ist inspirierend, diesen Ähnlichkeiten nachzuforschen und zu spüren, bis hinein in das eigene (ER)Leben.
Was be-deutet Ihnen das Gefundene?
Wir alle leben in der Geschichte und unseren tradierten Geschichten. Mythen und Symbole sind Teil unseres (un)bewussten kollektiven Wissens. Nehmen wir diese nicht nur in Augenschein, sondern begeben uns tiefer auf die Suche nach ihrem Sinn und ihrer Botschaft, für uns persönlich und als Gesellschaft, kommen wahre Schätze zum Vorschein. Hierbei, wie bei einer echten Schatzsuche, kann es passieren, das wir das finden, was wir nicht gesucht haben, und vielleicht auch dort, wo wir garnicht gesucht haben.
Osterbräuche und deren christlicher Inhalt in einem NZZ-Artikel der Theologen Markus Arnold und Pierre Bühler| eine Alternative zur Werbe- und Konsumwelt | Augustinus vollständige Worte zum Tanzen | Hans Gehrhard Behringer: Die Heilkraft der Feste – Der Jahreskreis als Lebenshilfe | mehr zu Die neun Gesichter Christi. Die Suche des Wahren Eingeweihten |das Buch Auf der Suche nach Merlin – Mythos und geschichtliche Wahrheit» und der Historiker Nikolas Tolstoy im Interview (engl.) zu seinem Buch