Zum Frühligsanfang, am letzten Samstag, verwandelte sich der kunstraum hermann in Hochdorf für einmal in eine «Geschichtenfabrik». Dort wo in der alten «Kerzi», der Kerzenfabrik Balthasar, einst der Heizungsraum war, und nun seit 2013 jährlich zwei Kunstaustellungen unter der Regie des Künstlers Alois Hermann stattfinden, wurde erstmals ein Generationenprojekt in der Kunstvermittlung durchgeführt. Dabei konnten sich Menschen im Alter von 9 bis 77 Jahren begegnen.
Inspiriert von dem Projekt «GiM – Generationen im Museum» hatte ich mich 2014 erkundigt, ob der kunstraum hermann, obwohl kein Museum im eigentlichen Sinn, auch teilnehmen könnte. Er – beziehungsweise wir konnten! Nachdem im Jahr 2014 circa 30 Museen schweizweit bei diesem Projekt des Migros-Kulturprozents mitgewirkt haben, sind es in diesem Jahr fast 50 Häuser. Ziel des Projektes ist es, den Dialog der Generationen zu fördern, aber auch einmal die Deutungshoheit der Kunstexperten an das Kunstpublikum weiterzureichen. Das geschieht indem je zwei Menschen unterschiedlichen Alters zusammen zu einem selbst gewählten Kunstobjekt Geschichten erfinden und erzählen.
Der eigentliche Anlass in den jeweiligen Museen, als «GiM live» bezeichnet, hat genau den richtigen Namen. Was Alois Hermann und ich mit unseren Gästen erlebt haben, war wirklich «live» und auch «life». Lebendig, spontan und mit Lebenserfahrung – egal von wie vielen Jahren – gefüllt. Und das kam so ...
Um nicht nur Menschen verschiedener Generationen bei «GiM – Generationen im Museum» zu erreichen, sondern auch die Verankerung der Kulturinstitutionen vor Ort zu stärken, wurden Gastgebergruppen gesucht, die mit eingeladen haben. Der kunstraum hermann fragte die Musikschule Hochdorf an. Durch ein Konzert mit John Voirol im kunstraum wussten wir, dass letzterer eine tolle Akkustik, sowohl für das Spielen eines Instruments, wie auch für die freie Improviation bietet. Renato Belleri, der Leiter der Musikschule nahm unser Angebot gerne an, und leitete es an sein Kollegium weiter. Die Musiklehrerin und Künstlerin Violeta Ramos, die dort Gitarre unterrichtet, konnte einige ihrer Schülerinnen für das Experiment begeistern – dabei stand der gedankliche Sprung vom Musizieren zum Geschichten erzählen zuerst im Weg. Davon liess ich mich anregen und habe in den Ablauf des Nachmittags nebem der Improvisation mit dem Instrument beim Geschichten erzählen auch kleine «musikalische Erfrischungen» integriert. |
AUF AUGENHÖHE Das Buch mit dem das Migros-Kulturprozent das Projekt «Generationen im Museum» dokumentiert hat, trägt zu Recht den Titel «auf Augenhöhe». Menschen, Erwachsene und Kinder, sind natürliche Experten im Geschichten erzählen. Geschichten gehören seit jeher zum Menschen. In der Kulturvermittlung braucht es die Ansprache als Gleichberechtigte von den Vermittlern an die Museumsbesucher. | mehr zum Buch |
Der Nachmittag im kunstraum hermann war für zweieinhalb Stunden geplant. Nach der kurzen Einleitung und einer Aufwärmrunde mit Fragen und Bewegung im Raum gab es bereits das erste gemeinsame Lachen. In Zweierteams wurde je ein Objekt ausgewählt und dazu gemeinsam eine Geschichte erfunden. Zu viert wurden die Geschichten ausgetauscht und später in der grossen Runde erzählt. Dabei kamen auch die mitgebrachten Musikinstrumente, der Kinder zum Einsatz. In der gemütlichen Kaffeepause mit selbstgebackenem Kastanienkuchen des Künstlers wurden die Geschichten zu Papier gebracht und das Gesehene, Gehörte und Erlebte ausgetauscht.
Dabei wurde deutlich, dass das gemeinsame Geschichtenerfinden unterschiedliche Wahrnehmungen deutlich macht und die Begegnung für alle bereichert. Inspiriert durch die Geschichten fertigte jeder der Teilnehmer noch einen kleinen Druck unter Anleitung von Alois Hermann an. Der Künstler teilt seine Fähigkeiten seit mehreren Jahrzehnten auch in Workshops mit Interessierten. Dabei verging die Zeit wie im Flug, und einige der Erzähler und Künstlerinnen wollten gar nicht mehr aufhören. Wir gaben auch dem Raum, sodass der Anlass etwa eine Stunde länger dauerte als geplant. Pia Walker, eine ehemalige Lehrerin der Musikschule, die den Anlass im Seetaler Boten entdeckt hatte, schrieb in einer Mail danach an uns beide: «Wie erfrischend war doch dieser Samstagnachmittag im Kunstraum Hermann!».
WIEVIEL IST KUNST UND DEREN VERMITTLUNG WERT?
Nach dem positiven Erlebnis und dem guten Feedback wird der kunstraum hermann im nächsten Jahr mit einer Projektwerkstatt bei «Generationen im Museum» mitmachen. Dafür werden wir mit der Dokumentation des diesjährigen Anlasses bei entsprechenden Stellen um finanzielle Unterstützung anfragen. Denn Kunst und deren Vermittlung ist wertvoll für die Gesellschaft. So schreibt im Buch zum «GiM» Matthias Dreyer:
«Museen, die sich des demografischen Wandels annehmen, kommen ihrer sozialen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft nach» Wichtig ist aber auch, dass Menschen aller finanziellen Einkommensklassen sich die gezeigte Kunst und deren Vermittlung leisten können. Gerne haben Alois Hermann und ich deshalb diesen Anlass selber finanziert und unentgeltlich begleitet. Wir haben den kunstraum hermann an dem Abend mit vielen Geschichten und vollen Herzen verlassen. |
BILDER VON MENSCHEN UND GESCHICHTEN
lesen Sie im oralab-Blog über die Bedeutung von Kunstwerken | über die Hintergründe zu «GiM – Generationen im Museum» | entdecken Sie auf der GiM-Webseite weitere Museen und Ideen für «GiM live» | schauen Sie mal rein, bei der Musikschule Hochdorf | oder erfahren Sie mehr über die Künstlerin und Musiklehrerin Violeta Ramos | hier finden Sie Thomas Kern, den Fotografen unseres GiM live