Netze halten, verbinden und fangen. Sie verfangen, binden und verstricken. Unsere sozialen Netzwerke verdanken ihren Namen einem denkbar merkwürdigen und zwiespältigen Objekt. Wie aber kam das Netz ins Netzwerk? Warum kann es für ein Verbundensein von Menschen, Dingen, Institutionen, Zeichen, Infrastrukturen, ja selbst der Natur einstehen?
Mit der «Verbundenheit der Dinge» liegt erstmals eine Kulturgeschichte vor, in der die überwältigende Vielfalt von Netzwerken ausgebreitet wird. Sie beginnt mit den Geschicken von Fischer- und Spinnennetz in den alten Hochkulturen.
Das Buch erzählt von den entscheidenden Momenten, in denen sich aus Vernetzungen eine veritable Kulturtechnik entwickelt. Es nimmt die Leser mit in die Pariser Kanalisation und an den Suez-Kanal, in die Telefonzentralen Nordostamerikas und lädt ein, mit der Londoner Untergrundbahn zu fahren.
Warum soziale Netzwerke erst spät entdeckt wurden, wie sich der rasante Aufstieg der mathematischen Netzwerktheorie vollziehen konnte, wie unwahrscheinlich die Erfindung des Internets eigentlich war und was Diagramme und Verschwörungstheorien mit alldem zu tun haben, das alles erklärt Sebastian Gießmanns fulminante Geschichte.
Bereits ein kurzer Auszug aus der Leseprobe des Kadmos Kulturverlags macht Lust auf mehr:
«Schließlich lässt sich schon jetzt beobachten, wie Netzwerke vor allem zu sozialen Netzwerken geworden sind. Ihre materielle Kultur erfährt kaum mehr Beachtung. Das ist merkwürdig, versteckt sich doch im deutschen Netzwerk, im englischen network, im französischen réseau und im lateinischen rete immer der Hinweis auf ein physisches Netz. Genau dieser Objektreferenz gehe ich nach, schließlich kann man mit Hartmut Böhme sagen: «der semantische Kern von ‹Netz› ist dinglich» und zeichnet sich durch seine Rückführbarkeit auf das Spinnennetz und das Fischernetz aus.
Wie aber kam das Netz ins Netzwerk? Wieviel Materialität steckt in unseren heutigen sozioökonomischen Netzwerken – und welche Form von Medialität? Was lässt ein zunächst einfach erscheinendes Fanginstrument zum Namensgeber einer raumgreifenden Kulturtechnik werden?»
Doch Vorsicht! Nicht alles, was verbunden ist, ist auch vernetzt. Schon jetzt haben Netzwerke ihre Grenzen. Von ihnen handelt das Ende der «Verbundenheit der Dinge». Ein Thema ist dem Autor, wohl bewusst, durch die Maschen des Netzes gefallen: die sozialen Netzwerke. Auch wenn es für das Thema weiteres Fachwissen benötigt hätte, wäre zumindest ein Brückenschlag interessant gewesen.
SOZIALE- UND ALLVERBUNDENHEIT
Doch den Faden haben zuvor bereits andere Autoren aufgenommen. Die Internetaktivistin Lina Ben Mhenni forderte bereits 2011 mit ihrem Buch Vernetzt Euch! die Leser auf, sich politisch zu engagieren und zu vernetzen. Kritisch und fundiert hat 2012 der holländische Medientheoretiker Geert Lovink mit seinem Buch Das halbwegs Soziale den Gebrauch neuer Medien und sozialer Netzwerke durchdacht.
Selber spinne ich den Netzwerkfaden, was aufmerksame LeserInnen nicht verwundern wird, weiter in die nichtmaterielle Sphäre, wo unsere ältesten Gedanken- und Seelennetzwerke zu finden sind, wie z. B. die Akasha Chronik und die Noosphäre. Wobei letzterer Begriff seit dem philosophisch, christlichen Start mit Teilhard de Chardin und Anderen, mittlerweile auch über die Medientheorie enttheologisiert in der heutigen multimedialen, bzw. Cyberwelt gelandet ist. Aber das wäre ein anderes Buch. Titelvorschlag: «Verbundenheit von Allem».
Sebastian Gießmann promoviert an der Humboldt-Universität zu Berlin und arbeitet am Tanzarchiv Leipzig. Forschungsschwerpunkte sind Kultur- und Mediengeschichte der Netzwerke, Epistemologie der Übertragungsmedien, Medialität der Bewegung, Geschichte der Druckverfahren und Robert Lepages Medienästhetik. | die ganze Rezension zu «Verbundenheit der Dinge» auf perlentaucher lesen | zur Leseprobe | zum Kadmos Kulturverlag
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