UNGEHEURES MUSS IN UNS GESCHEHEN
«Die Zeiten der grossen Probe sind die der Gottesfinsternis. Wie wenn die Sonne sich verfinstert, und wüsste man nicht, dass sie da ist, würde man meinen, es gäbe sie nicht mehr, so ist es in solchen Zeiten. Das Antlitz Gottes ist uns verstellt, und es ist, als müsste die Welt erkalten, der es nicht mehr leuchtet. Aber die Wahrheit ist, dass gerade erst dann die große Umkehr möglich wird, die Gott von uns erwartet, damit die Erlösung, die er uns zudenkt, unsre eigene Erlösung werde. Wir nehmen ihn nicht mehr wahr, es ist finster und kalt, als ob es ihn nicht gäbe, es erscheint sinnlos, zu ihm umzukehren, der doch, wenn er da ist, sich gewiss nicht mit uns abgeben wird, es erscheint hoffnungslos zu ihm durchdringen zu wollen. Ungeheures muss in uns geschehen, damit wir die Bewegung vollziehen. Aber wenn das Ungeheure geschieht, ist es die grosse Umkehr, die Gott erwartet. Die Verzweiflung sprengt das Verlies der heimischen Kräfte. Die Quellen der Urtiefe brechen auf.»
Martin Buber | aus: Gog und Magog
Martin Buber hat unter dem Titel Gottesfinsternis 1953 auch ein Buch herausgebracht. Wer sich für das Werk und Leben des österreichisch, israelisch und jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber interessiert, dem empfehle ich die Biografie von Maurice S. Friedman: Begegnung auf dem schmalen Grat. Martin Buber, ein Leben. aus dem Jahr 1999. (nur noch antiquarisch erhältlich)| lesen Sie mehr über und von Martin Buber auf www.buber.de