Plattform für Kunst und Kultur
Eine Begegnung
Zu diesen Figuren wurde Alois Hermann durch das Sorgenfresserchen inspiriert, das eine seiner Töchter geschenkt bekommen hatte.
Am Ende des Ateliers geht es ein paar Stufen hinunter, vorbei an der Schreinerei, wo Holz oder ganze Baumstämme vorbereitet werden und der Künstler auch die Modelle für seine teils überlebensgrossen Skulpturen fertigt.
Plattform für Kunst und Kultur
Der Kunstraum Hermann, im Industriegebiet von Hochdorf, ist das Kesselhaus der ehemaligen Kerzenfabrik Balthasar. Der Raum wird als Plattform für Kunst und Kultur unterschiedlich
bespielt und kann auch für Veranstaltungen gemietet werden. Momentan sind zwei Ausstellungen im Frühjahr und Herbst geplant, zu denen Künstler eingeladen werden, den Raum zu bespielen. Ein Schaulager mit den Arbeiten von Alois Hermann wird fester Bestandteil des Kunstraums sein.
Der Raum
Mit seinen rund 140 Quadratmetern und mit einer Höhe von über fünf Metern ist der längliche Raum eigentlich schon eine Halle. Er hat die Qualitäten von beiden Formen.
Da ist der Charme des Industriegebäudes mit noch sichtbaren Gebrauchsspuren, z. B. auf den alten Klinkerplatten des Bodens und den für ein solches Gebäude typischen Fenstern und Oberlichtern. Das Sonnenlicht fällt, je nach Tages- und Jahreszeit, von unterschiedlichen Seiten und mit mehr oder weniger Intensität ein und setzt wechselnde Akzente im Raum.
Frei und doch geborgen
Alois Hermann führt mich durch den Raum, nimmt sich Zeit, erzählt ein wenig und zeigt mir auch ein Foto, das vor der Renovierung gemacht wurde. Hier wurde viel Vorarbeit geleistet, die jetzt (den) Raum für weitere Möglichkeiten bietet. Die Renovation und Gestaltung des alten Werkgebäudes, die Alois Hermann mit Respekt für den Ort und dessen eigenen Charme vorgenommen hat, fügt dem hallenartigen Charakter die Qualitäten eines reduziert gestalteten aber bergenden Raumes hinzu.
Die Skulpturen von Alois Hermann sind mehrheitlich Menschenfiguren. Bereits beim ersten flüchtigen Blick wirken diese, als kenne man sie aus dem eigenen Alltag.
Da stehen der Nachbar, der nach der Arbeit sein Kind begrüsst oder die Freundin im sommerlichen Kleid vor einem. Ein Teil dieser Lebendigkeit rührt daher, dass, anders als z. B. bei Bronzeskulpturen, diese (über)lebensgrossen Holzfiguren teils eine farbige Übermalung haben. Doch das ist es nicht allein. Denn hier stehen wahrhaftige Menschen, nicht nur gute Typen oder markante Figuren.
Die Hüterin des Raumes
Vielleicht lässt sich das am besten am Beispiel der alten, blinden Frau beschreiben. Sie steht ganz hinten rechts im Raum, gestützt auf ihren Stock. Graue Kleidung, schwarze Brille, das Gesicht undurchdringlich. Alois Hermann und ich stehen eine Weile im Gespräch bei ihr und blicken von hier in den grossen Raum zurück. Die Blinde steht hinter uns. Ich bemerke ihre starke, fast physische Präsenz. Als wir wieder zur anderen Seite des Raumes schlendern, folgt sie uns – mit ihren Blicken. Sie beobachtet uns. Sie bewacht den Raum. Sie ist die Hüterin des Raumes. Ja, ein wenig erinnert diese Skulptur auch an ein Totem, vor allem durch die ruhige Kraft, die sie ausstrahlt.
Menschen und Geschichten
Mit den Skulpturen von Alois Hermann sind auch die Geschichten der Menschen im Raum präsent, die den Künstler zu dem jeweiligen Werk inspiriert haben.
Wie eben die, jener alten, blinden Frau, die Hermann im Engadin begegnet ist, und die ihn mit ihrer zufriedenen Ausstrahlung beeindruckt hat. Man muss diese Geschichten nicht kennen. Beim Betrachten entstehen, in der Ressonanz mit der Figur, auch individuelle, neue Geschichten.
Da ist z. B. diese Frau am Rande des Raumes, etwas abseits neben einer Metalltür. Über der Tür das Schild für den Notausgang. Sie trägt ein taubenblaues Kleid und ist barfuss. Die rechte Hand ruht auf ihrem Herzen. Ihr Kopf ist leicht geneigt. Wie geht es jetzt wohl weiter? Macht sie einen Schritt in den Raum, auf die Gruppe der anderen «Menschen» zu, oder nimmt sie den Notausgang?
In einem Text, über das Werk von Alois Hermann von Roland Scotti aus dem Jahre 2002, zitiert der Kunsthistoriker und damalige Kurator des Kirchner Museums Davos den Künstler wie folgt:
Neben den individuelleren Skulpturen sehe ich unter den vielen Arbeiten von Alois Hermann auch Archetypisches. Die Frau, mal als ursprüngliche, üppige Ur-Mutter, dann als Schwangere. Überhaupt, viele Frauen. Und Familie – wohlbemerkt eine, in der der Vater anwesend ist – gehört zu den Motiven im Werk von Alois Hermann. Auch seine eigene Familie ist, hier am Wirkungsort des Künstlers, sehr präsent. Sei es bei den eingangs erwähnten Figuren in seinem Atelier oder, wenn er mir stolz erzählt, dass der kleine, feine Kunstkiosk im Kunstraum Hermann eine Idee seiner 12-jährigen Tochter Hannah sei und sie diesen auch gleich selbst mit, bei den Künstlern ausgewählten, Werken bestückt hat.
Respekt und leiser Humor
Sei es in den Werken von Alois Hermann oder in der Begegnung mit ihm, was die ganze Zeit mitschwingt, ist eine Zuneigung zum Menschen als solches. Interesse, Offenheit und Respekt für das Sosein des Anderen. Hier fehlt jeglicher Spott. Kein Funken Ironie weit und breit in seinen Werken. Selbst sein Humor ist leise. Während wir uns im Gespräch hin- und her durch den Raum bewegen, streift mein Blick immer wieder die Figur eines Fuchses, die mich Schmunzeln lässt. Hoch oben auf einem Regal rollt er. Nein, er steht nicht dort, er rollt – ob vorwärts oder rückwärts lässt sich schlecht sagen. Die Hinterläufe lässig über den Schultern, triftt die Schnauze den eigenen Hintern. Kein bisschen peinlich, sondern formvollendet – zum Kreis.
zum Kunstraum Hermann in Hochdorf
zur Webseite des Luzerner Künstlers Alois Hermann
Mit den von mir im Text nur kurz erwähnten Holzschnitten von Alois Hermann, werde ich mich in einem späteren Blogeintrag befassen.